„Beverly-Hietzing“: Das ist der heutige Kosename, den die Hietzinger ihrem Bezirk augenzwinkernd verpasst haben. Der 13. Wiener Bezirk ist nobel, keine Frage. Aber war das schon immer so? Und wusstet ihr, dass es anno dazumal auch eine Sprungschanze und eine Skipiste gab?
Die Ursprünge
Ab dem 11. Jahrhundert waren die einst eigenständigen Gemeinden, die heute Hietzing bilden, arme Vororte von Wien. Erst als die Monarchin Maria Theresia an dem Gebiet Gefallen fand, änderte sich, wenn auch recht gemächlich, fast alles. Die von ihrem Großvater Leopold I. errichtete Sommerresidenz Schönbrunn zog den kaiserlichen Hof und Adel in das ehemalige „Kuhdorf“ Hietzing, das sich erst völlig neu rüsten musste für seine hohe Aufgabe: die neu erkorene Plattform der höchsten Stände zu sein, das Mekka des Adels und all seiner Hermelinflöhe.
Während der Epoche von Kaiser Franz I. wurde die „Sommerfrische“ in der ländlichen Gemütlichkeit modern. In sämtlichen Vororten Wiens brachen ungehindert die Städter mit ihren Kutschen und Equipagen ein. Eine Landpartie nach Hietzing hatte etwas Besonderes an sich, denn da war man nah am kaiserlichen Hof.
Viel Industrie gab es hier nie. Nicht viel mehr als einige Unternehmen sind bekannt, dafür siedelten sich Bauern, Milchwirtschaftsbetriebe, Gärtnereien und viele Nahversorger hier an. Es gab immer viel Grün, Felder, Landwirtschaft, kleine Häuschen mit ebensolchen Gärten, später prächtige Villen mit noch prächtigeren Parks – und vor allem das Schloss Schönbrunn –, welche dem Bezirk und seinen Bewohnern den unvergleichlichen Touch gaben. Geprägt von Wienfluss und dem Wienerwald zog Hietzing die aus der staubigen Stadt fliehenden Bürger und den dem Hof nachfolgenden Adel magisch an.
Hietzing, ein Dorado der Wohltätigkeit
Was viele nicht wissen: Hier gab es schon sehr früh sozialen Wohnbau. Die „Siedlungen“ wurden nicht nur auf wertvollem Grund errichtet, einige wurden von besonders geachteten Architekten geplant und vollendet. Nirgendwo gibt es so viele Krankenhäuser und Zentren für benachteiligte Bevölkerungsschichten. Und nirgendwo ist die Liste der berühmten und hier zu Ehren gekommenen Architekten dermaßen lang wie in Hietzing. Auch die erste Feuerwehr und die erste Rettung außerhalb der Stadt hielten hier ihren Einstand. Man zeigte dem Rest der Bezirke, wie es ging.
Eine Kehrseite der Medaille war, dass sich die Leibeigenen, kleinen Bauern und die Dienerschaft des von Schönbrunn eingenommenen Bezirkes – und beileibe nicht nur hier – jahrhundertelang nicht ihrem Arbeitspensum entsprechend ernähren konnten. Armut und Frohn, zähe Arbeit, Kriege und Seuchen gab es in dem so gepriesenen Hietzing.
Baden und Skisport vor der Haustüre
Die nahen Wälder und hügeligen Wiesen waren nicht nur ein Naherholungsgebiet mit leichter Erreichbarkeit sondern auch ein Skigebiet. Zusätzlich existierte in Hietzing ein Fluss, welcher jedem, der es wollte, ungeahnte Badefreuden bereitete – so es die Launen des Wetters und des Flusses zuließen.
Die Hietzinger bezeichneten einen Teil des Flusses Wien als „Hütteldorfer Riviera“ oder als „Wienfluss-Riviera“, welche Schwimmer und Sonnenhungrige aus ganz Wien anlockte.
Der Wienerwald und seine Hügeln hingegen luden jeden sportlichen Städter ein – egal ob in Döbling, Dornbach, Hernals, Penzing, Mauer oder Hietzing –, sich im Winter auf die Brettln zu stellen oder sich im Sommer auf ihre Fahrräder zu schwingen. Zünftig gekleidet und furchtlos, gewärmt nur durch Knickerbocker, Wollpullis und Schildmützen machten sich die Sportler auf, die „Berge“ Wiens zu bezwingen. Wegen seiner relativen Höhe galt der „Rote Berg“ unter den Wienern als besondere Herausforderung. Halbwegs sicher standen sie auf ihren selbst gezimmerten Skiern, gut angeschnallt mit ihren findigen Bindungen, um die erklommenen Höhen hernach ungestüm hinunter zu schwingen. Zu einem beliebten Skigebiet „mauserte sich der Himmelhof.
Sogar mit eigener Skisprungschanze, erbaut vom Ober St. Veiter Skiclub. Sie wurde 1948/1949 gebaut. Besonders hoch und steil geriet die von der „Ski Union Wien“ gebaute, schöne Holzschanze nicht. Aber sie hielt, was sie versprach: Den Bewohnern Wiens bot sie ein grandioses Schauspiel.
Wem das zu wenig Nervenkitzel war, der getraute sich auf die ‚Todesbahn‘, eine Rodelstrecke von der Spitze des Roten Berges bis zur Wagenfabrik J. Rohrbacher.
Während es in Döbling auch viele Weinhänge zu bewältigen gab, hatten es die Hietzinger leichter – und auch steiler. Ihr bevorzugtes Skigebiet war die „Hohe Wand“. Hier fanden sogar FIS-Rennen statt. Während sich die Skisportler in der Anfangszeit ihre Abfahrt hart erarbeiten mussten, indem sie den Berg mit den Brettln erklommen, gab es ab den 1960er-Jahren „Aufstiegshilfen“ – also Schlepplifte – und dann sogar Schneekanonen. Der damalige Wiener Bürgermeister Bruno Marek regte – ganz im Ernst – in seiner Eröffnungsrede an, Wien solle sich für die olympischen Winterspiele bewerben. Eine Idee, die einige Jahrzehnte später der Präsident des österreichischen Skiverbandes Peter Schröcksnadel wieder aufgriff.
Wer mehr erfahren will:
Irmi Soravia zeichnet mit dem Prachtband “Hietzing” ein umfassendes Bild eines geschichtsträchtigen Bezirks und begibt sich auf die Spuren seiner Vergangenheit.