Jede Gans ist eine eigene Persönlichkeit und hat ihren eigenen Charakter. Also wie bei uns Menschen. Sonia Kleindorfer, renommierte Verhaltensbiologin und Leiterin der Konrad Lorenz Forschungsstelle in Grünau im Almtal in Oberösterreich, stellt uns hier einige ihrer Gänse-Schützlinge vor.
Für die Wissenschaft war Sonia Kleindorfer bereits auf der ganzen Welt unterwegs. Seit 2018 leitet die Verhaltensbiologin die Konrad Lorenz Forschungsstelle der Universität Wien in Grünau im Almtal (OÖ). Die gebürtige US-Amerikanerin ist die Expertin in Sachen Verhaltensbiologie bei Vögeln und teilt ihr Wissen und ihre Erfahrung mit Kolleg*innen und Studierenden. Und nun auch in Buchform: “Die erstaunliche Welt der Graugänse” ist ab sofort überall erhältlich!
Triton ist eine sehr soziale Gans. Sie teilt ihre Zeit mit Freunden und Familie und ignoriert ihre Feinde, es sei denn, sie kommen ihr zu nahe. Als Tochter einer Gänsedynastie ist sie gut vernetzt und aktiv. Triton war einen Winter lang auf eigene Faust verschwunden, kehrte aber einige Monate später zurück und wählte ein älteres, erfolgreiches Männchen als Partner.
Leia ist mutig und Neuem gegenüber mäßig abgeneigt. Sie geht keine Risiken aus Neugierde ein, aber sie würde ihr Leben riskieren, um ihre Familie vor einem Fressfeind zu schützen. Wenn Leia ruft, folgen ihr die anderen Gänse. Sie ist die Influencerin, das einflussreichste Weibchen in der Gruppe. Leia führt die anderen Gänse zu bekannten Futterstellen oder Schlafplätzen, und diese folgen ihr. Leia wird von Neuem nicht angezogen, aber sie führt andere mutig zu Plätzen, an denen neue Bedingungen herrschen, und verteidigt sie dort.
Dorothea ist neugierig und offen für Neues. Als Jungtier war sie eine Rebellin. Dorothea wanderte alleine umher und verhielt sich für eine Gans ungewöhnlich, erkundete unter Deckeln und schaute hinter Türen. Wir auf der Konrad Lorenz Forschungsstelle waren sehr überrascht, als ihre Tochter Diega ebenfalls beobachtet wurde, wie sie allein umherwanderte und aufmerksam in einen Spiegel starrte.
Julian, Alter 20, ist derzeit mit seinem Bruder Joshua der älteste männliche Gänserich in der Gruppe. Er ist ein etwas mürrischer Kerl und war nie gesellig. Er leidet jetzt an Arthritis, ist aber erstaunlicherweise eine unserer aktivsten Gänse, wenn er in Bewegung ist. Er geht nur mäßige Risiken ein und prügelt sich nicht (mehr) so oft mit den anderen Gänsen. Im Vergleich zu seinem sehr aggressiven Bruder Joshua hat er einen eher ausgeglichenen Charakter.
Baycox hat ein wachsames Auge auf seine Stiefkinder, fünf Gänseküken der Gruppe B, die Barbara Steininger im Jahr 2022 von Hand aufgezogen hat. Wie es dazu kam? Da diese Gössel “nur” eine menschliche Mutter hatten, entschied Gänserich Baycox, dass ein männlicher Betreuer gebraucht wird! Er nahm seine selbst auferlegten Pflichten sehr ernst. Jeden Morgen wartete er darauf, dass Barbara mit den Gösseln aus der Hütte kam, wo er den ganzen Tag lang half sie zu bewachen, bis sie im Alter von drei Monaten fliegen konnten.
Olga und Besenstiel in nächster Näher zueinander, ein Zeichen für starke soziale Zugehörigkeit bei Graugänsen. Dieses Paar verbringt nicht nur viel Zeit nahe beieinander, sondern kommuniziert auch häufig über Kontakt- und Distanzrufe und zeigt ein gegenseitiges Führen und Folgen. Die Qualität der Partnerschaft hat einen großen Einfluss darauf, wie viele Junge überleben. Erfolgreiche Eltern in einem Gebiet mit so vielen Füchsen, Adlern und Fischottern zu sein, ist kein einfaches Unterfangen.
Floki begann als Ei auf einem Golfplatz in Italien und wurde von uns an der Forschungsstelle von Hand aufgezogen. Schon im Alter von wenigen Wochen war Floki neugierig und ging auf neue Situationen und andere Gänse zu, aber Floki war nie mutig. Mit fast zwei Jahren ist Floki immer noch aufgeschlossen gegenüber anderen Gänsen, aber eher schüchtern, wenn neue Forschende anwesend sind.
