Wie klingt Stille, Herr Welser-Möst?

Seit einem schweren Autounfall in seiner Jugend denkt der Stardirigent Franz Welser-Möst über das Phänomen der Stille nach. Am 16. August feiert er seinen 60. Geburtstag, pünktlich dazu erscheint seine Autobiografie. Hier ein Auszug.

Ich kann bis heute nicht genau sagen, ob mir bewusst war, dass die Reifen unseres Wagens den Griff auf dem gefrorenen Asphalt auf der Brücke nach Losenstein verloren hatten. Wir sind hilflos über eine Böschung geschlittert und kamen einige Sekunden später nach einigen Überschlägen zum Stillstand. Ich weiß auch nicht mehr, ob ich von der Rückbank aus beobachten konnte, wie der Fahrer versuchte, das Rutschen durch das energische Betätigen der Bremsen auszubügeln, wodurch er unsere Lage nur noch verschlimmerte. Woran ich mich allerdings erinnere, ist, dass ich diese Sekunden als Ewigkeit wahrnahm.
Die Zeit schien aufgelöst, ebenso wie die Schwerkraft. In diesem Augenblick verlor jedes Koordinatensystem, das der Existenz eines Menschen für gewöhnlich Halt gibt, seine Bedeutung. In Filmen wird das subjektive Gefühl bei einem solchen Unfall oft dargestellt, indem der Regisseur das Geschehen in Zeitlupe abbremst und die gleiche schlingernde Bewegung des Kraftfahrzeuges aus unterschiedlichen Perspektiven immer wieder hintereinander abspielt.
Der Film, der sich in diesem Augenblick bei mir abspielte, war eher ein Hörspiel. Oder besser gesagt: ein Stumm-Spiel. Ich erinnere mich nicht, ob in unserem Auto noch Worte gefallen sind, ob jemand „Oh Gott!“ geflüstert oder „Pass auf!“ geschrien hat. Das Gleiten des Autos vor dem Crash nahm ich bewusst wahr, aber alles um mich herum erschien plötzlich irreal. An was ich mich erinnere, ist die unglaubliche Stille, die mich umhüllte.

“Ich will Mut machen, an die eigenen Talente zu glauben, für seine Überzeugungen einzustehen, die man durch Suchen und Schürfen gewonnen hat, auch wenn es nicht dem Zeitgeist entspricht – sowie nicht auf jeden Zug aufzuspringen, der in unserer heutigen Kultur der permanenten Aufgeregtheit bereitsteht. Viele im Moment schmerzhafte Erlebnisse stellen sich im Nachhinein als wichtige und richtige Weichenstellungen dar.”

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