Wo sind wir hier eigentlich, Heinz Fischer?

Am 29. September wird in Österreich ein neuer Nationalrat gewählt. Ein guter Anlass, um kurz innezuhalten und die Frage zu stellen: Wo stehen wir als Land, als Gesellschaft? Heinz Fischer über die Werte der ÖsterreicherInnen.

In jedem Menschen ist Gutes und Böses vorhanden.

Und die Grenze zwischen Gut und Böse, die verläuft nicht zwischen dieser Gruppe und jener Gruppe, sondern mitten durch das Herz eines jeden einzelnen Menschen. Aus den positiven Eigenschaften der Menschen entstehen dann Liebe, Solidarität, Rücksichtnahme und die Bereitschaft zu teilen. Also das, was wir heute als positive Werte empfinden. Aus den negativen Eigenschaften, die es auch in jedem Menschen und in jedem Volk und in jeder Gruppe gibt, entstehen Hass, entsteht die Tendenz zur Machtakkumulation und zur Dominanz, zur Ignoranz und zur Unfähigkeit zu teilen. Das sind die beiden Seiten, die beiden Pole, aus denen jeder Mensch zusammengesetzt ist. Und die Mischungen sind natürlich sehr unterschiedlich. Das, was auf der positiven Seite steht, kann man in einem Wertekatalog ausformulieren. Und das, was auf der negativen Seite steht, muss man im Strafrecht oder in anderen Negativ-Dekalogen festhalten. Das ist meine Grundeinstellung zum Menschen und zur Frage der Werte.

Und wenn jemand von einem der anderen Enden der Welt sie fragte: „Welche Mischung weist denn der durchschnittliche Österreicher auf?“ Was antworten Sie?

Der Österreicher ist ein Durchschnittsmensch in dem Sinn, dass er aus vielen Nationen und aus vielen nationalen Wurzeln entstanden ist, dass er eine prägende Tradition hat, die dieser Alpen-Donau-Region angepasst ist. Der aufgrund geografischer und kultureller Gegebenheiten ein aus sich herausgehender, ein kontaktfreudiger Mensch ist. Und alles andere ist dann schon individueller Unterschied. 

Heinz Fischer (*1938) war von 2004 bis 2016 Bundespräsident von Österreich. Davor saß er für die SPÖ in Regierung und Nationalrat, unter anderem als Wissenschaftsminister und Nationalratspräsident.

Diese Analyse ist Teil eines Stammtischgesprächs bei dem sich über 50 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Landes Österreich unterhalten haben. Das Ergebnis ist das Buch “Wo sind wie hier eigentlich? Österreich im Gespräch“, entstanden in Kooperation mit dem Magazin DATUM.

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