Die Lösung der Klimakrise? Das Leben in der Stadt, sagt Klimaökonom Gernot Wagner

Wo sollen wir leben? Und wie? Und warum genau dort? Gernot Wagner, austro-amerikanischer Klimaökonom, beschäftigt sich mit diesen Fragen in seinem neuen Buch “Stadt, Land, Klima”. Denn fest steht: Der Klimawandel betrifft alle und alles. Was können wir als Individuen mit unseren Entscheidungen beeinflussen, welche Rolle spielen politische Maßnahmen und was hat das alles mit der als klimafeindlich verschrienen Stadt zu tun?

Das Buch trägt den Untertitel „Warum wir nur mit einem urbanen Leben die Erde retten“. Warum sind Städte die Klimaretter?

Dichte und Effizienz, und vor allem auch Potential.

Dichte und Effizienz ermöglichen jetzt schon ein äußerst CO2-effizientes leben, in Suburbs entstehen etwa doppelt so viele CO2-Emissionen wie in Städten oder am Land.

Aber es geht vor allem ums Potential. Darum, dass noch viel mehr möglich sein muss. Da ist wo Städte wirklich glänzen, wo ein schlecht isoliertes Mehrfamilienhaus in der Stadt insgesamt um vieles besser ist als das Passivhaus im Grünen. Klimawandel ist die ultimative negative Externalität. Da ist es nur fair mit der ultimativen positiven Externalität, den positiven Netzwerkeffekten der Stadt, auf zu marschieren. Dabei ist es auch wichtig zu unterstreichen, dass es erst Städte sind, die tatsächlich das Leben am Land erst ermöglichen. Das Buch ist daher ein Liebesbrief an die Stadt, einer ans Land, und einer ans Klima.

Wird die Klimaerwärmung Städte nicht viel härter treffen – Stichwort Verbauung – und die Attraktivität bzw. die Lebensqualität in Städten dadurch abnehmen?

Ja und nein.

Tatsächlich ist es bereits jetzt schon durch den städtischen Wärmeinsel-Effekt in Städten meist wärmer als im Umland. Umgekehrt gibt es zig Maßnahmen, die eben diesem Effekt Einhalt gebieten. Mittelmeerstädte haben nicht umsonst ihre weißen Dächer. Sie machen nicht nur die Urlaubsfotos schöner sondern kühlen auch zugleich die Häuser. Diese weißen Dächer gibt es mittlerweile auch etwa in New York, grüne Wände ebenso. Alles trägt zum Wohlgefühl bei. Natürlich gibt’s da sofort auch wieder Zielkonflikte, etwa zwischen weißen oder grünen Dächern einerseits und Solaranlagen andererseits. Solaranlagen sind gut fürs Weltklima, schlecht fürs städtische Mikroklima, und umgekehrt.

Balance ist wichtig.

Wie gelingt uns das Umdenken hin zum klimafreundlichen individuellen Leben leichter ? Dass es etwa nicht nur auf möglichst viele Quadratmeter beim Wohnen ankommt? Oder wir alle etwas weniger Fleisch essen sollten?

Also die Frage ob weniger Fleisch essen, dazu gibt’s schon ein äußerst gutes Buch: “Tiere Essen“, von Jonathan Safran Foer. Die englische Version hat zumindest meine Frau und mich 2009 davon überzeugt Vegetarier zu werden. Hier geht’s genau um die Frage wann wir wo wie und vor allem auch warum leben. Und tatsächlich auch leben sollten. Das ist natürlich in vielerlei Hinsicht eine viel größere Frage.

Die Entscheidung was man isst fällt täglich dreimal. Die Entscheidung wo man wohnt, fällt vielleicht ein paar Mal im Leben, falls überhaupt. Das macht sie auch um einiges konsequenter. Dabei geht’s natürlich wie so oft um die liebe Politik, um Wirtschaftsströme, um Raumplanung, aber tatsächlich ist die Frage auch eine äußerst persönliche.

Ich selbst etwa verbrachte meine Kindheit auf 78 Quadratmetern, in Amstetten, Niederösterreich. Nach Zwischenstationen in kleineren und auch fast doppelt so großen Wohnungen wohne ich jetzt mit meiner Familie zu viert auf 70 Quadratmetern in New York. Mir ging und geht da wir dort nichts ab. Ganz im Gegenteil: die Größe finde ich auch jetzt so ziemlich ideal, vor allem natürlich auch verbunden mit der Lage inmitten der Stadt.

Viele finden das nicht so. Da ist allzu oft von Kompromiss zu hören — davon, dass „heutzutage“ Familien eben so nicht wohnen. Das war vielleicht früher einmal, aber diesen kleinen Stadtwohnungen galt es schließlich wieder zu entkommen.

Die große Frage für mich, die ich im Buch zu beantworten versuche, ist dann genau das Warum? Warum haben meine Frau und ich scheinbar so eine gänzlich andere Einstellung zum täglichen Leben als die durchschnittliche Jungfamilie, die sich hier in Amerika mittlerweile ein Haus mit zumindest 200 Quadratmetern, in Deutschland immerhin noch eines mit 110 Quadratmetern, erwirbt oder zumindest erwünscht? Tendenz übrigens da wie dort immer noch steigend.

Und ja, die große Frage: was hat das mit Umdenken, mit Umlenken, zu tun? Und schlussendlich: Was bedeutet es für die Stadt, fürs Land, und fürs Klima?

Am Ende geht es nicht um Leben versus Klima. Es geht um Balance: zwischen leben und leben lassen, zwischen Gesellschaft und Klima, zwischen Quadratmetern und Effizienz, zwischen wirtschaftlicher „Dynamik“ und Resilienz, zwischen Gegenwart und Zukunft – zwischen Stadt, Land und Klima. Gernot Wagner

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Autor Gernot Wagner im Café Brandstätter Extrazimmer mit Judith E. Innerhofer

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