Interview mit Nikolaus Brandstätter zum 35jährigen Jubiläum

Nikolaus Brandstätter über seine Lieblingsbücher, die Freude am Gestalten und die Zukunft des Buches.

Was ist Ihre Erinnerung an Ihr erstes Buch? Um welches Buch handelt es sich?
Mein erstes Buch war „Wo die wilden Kerle wohnen“, zumindest das erste, an das ich mich erinnern kann. Die Geschichte hat mich als Kind bewegt und mir die Magie von Büchern gezeigt, Abenteuer im Kopf zu erleben. Das ist bis heute so geblieben. Daran glaube ich!

Ihre drei Lieblingsbücher sind …
Es gibt so viele Bücher, die mich inspiriert haben. Nur drei zu nennen fällt mir wahnsinnig schwer. Daher nur eine exemplarische Annäherung: „Hundert Jahre Einsamkeit“ von Marquez ist in seiner erzählerischen Kraft wahrhaftig ein Jahrhundertbuch. Das gilt auch für Zweigs „Welt von gestern“. Es erinnert uns so lebendig daran, was an kulturellem Großmut unwiederbringlich verloren gegangen ist. Und aus unserem aktuellen Programm möchte ich die Biografie über die Ausnahmekünstlerin „Maria Lassnig“ nennen. Kunstgeschichte geht auch spannend.

Würden Sie Ihre Lieblingsbücher auch als eBook lesen?
Ich lese immer wieder eBooks. Vor allem auf Reisen, damit ich nicht so viel schleppen muss. Herzensbücher will ich dann aber immer für meine Bibliothek und ganz real um mich haben. Ich sehe die digitale Welt jedenfalls nicht als Bedrohung. Gedruckte Bücher wird es immer geben, vor allem wenn sie schön gekleidet sind. Das ist eine Stärke unseres Verlags.

Entspannen Sie beim Lesen oder was sind Ihre Mittel gegen Stress?
Ich bin aus tiefster Überzeugung nie gestresst. Auch wenn ich viel arbeite. Schon allein aus Respekt gegenüber anderen Menschen, die es auch nicht immer leicht haben. Bücher sind jedenfalls ein wunderbarer Ausgleich für fast alles, eine nie versiegende Quelle der Inspiration. Genauso wie die Natur. Berge besteigen ist auch eine große Leidenschaft von mir.

Traumjob VerlegerIn? Beruf oder Berufung?
Verleger zu sein ist ein große Freude, ein Privileg. Das schönste für mich ist, so viele spannende Menschen aus den unterschiedlichsten Bereichen kennenlernen zu dürfen und als Plattform für ihre Ideen und Visionen zu fungieren, sie dabei animiert zu begleiten. Eine große Verantwortung, der ich mir ständig bewusst bin.

Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Wir sind ein Familienunternehmen. Die Welt der Bücher hat mich von klein auf fasziniert. Aber es war keine Selbstverständlichkeit, dass ich in die Fußstapfen meines Vaters trete. Das Unternehmen war an Klett verkauft. Im Jahr 2005 hat sich die Chance ergeben, die Anteile zurückzukaufen. Dafür habe ich mich gemeinsam mit meinem Vater bewusst entschieden. Und diese Entscheidung keinen Tag bereut.

Gibt es für Sie ein Vorbild aus der Welt der VerlegerInnen?
Mein Taufpate Fritz Molden war eine faszinierende Verlegerpersönlichkeit. Ein mutiger Unternehmer und Großbürger im besten Sinne des Wortes. Eleganz gepaart mit Pioniergeist und Großzügigkeit. Ende der 60er Jahre hat er das Verlagswesen revolutioniert. Und dann alles verloren. Auch im Scheitern hat er die Fahne weiter hochgehalten. Bewundernswert.

Wie beginnt ein guter Tag als VerlegerIn? Und wie sieht ein schlechter Tag aus?
Für mich gibt es nur gute und bessere Tage, keine schlechten. Das ist eine Frage der Einstellung. Meine wunderbare Großmutter, die letztes Jahr im stolzen Alter von 97 gestorben ist, hat mich das gelehrt. Es hat uns niemand etwas versprochen – wir geben nicht auf, gehen weiter! Auch mein Vater ist ein Vorbild für eine grundpositive Lebenseinstellung. Jeder Tag, an dem wir die Möglichkeit haben zu gestalten, ist ein guter Tag!

Was war das spannendste Ereignis in Ihrem Berufsleben?
Das spannendste Ereignis ist für mich immer morgen. Gemeinsam mit unserem hochmotivierten Verlagsteam, beseelten AutorInnen und beglückenden Mitstreitern die Welt neu zu erfinden und sie im besten Fall ein wenig besser zu machen ist mehr als spannend. Es ist sinngebend.

In einem FAZ-Interview stellte Felicitas von Lovenberg Verlegern diese Frage: Wenn Sie eine einzige Veränderung am Buchmarkt bestimmen könnten – welche wäre es?
Mit dem großen Zauberstab würde ich das Jammern und Klagen abschaffen. Davon ist noch niemand weitergekommen. Noch viel schlimmer: wir entwerten damit ständig unser wunderbares Produkt. Klar, wir stehen vor großen Herausforderungen. Aber das tun andere auch. Etwas mehr Selbstbewusstsein würde dabei nicht schaden. Auch vor dem Hintergrund, dass unsere Branche deutlich mehr Umsatz generiert als die Musikindustrie. Aber das weiß kaum jemand. Wir haben alle Chancen und Möglichkeiten, wenn wir nur bereit sind, sie zu ergreifen.

Wie viel Prozent seines Umsatzes wird Ihr Verlag im Jahr 2020 durch elektronische Informationen erwirtschaften?
Wir gehen davon aus, dass wir mittelfristig ein Drittel unseres Umsatzes in diesem Bereich erwirtschaften werden. Nicht nur mit klassischen Übersetzungen unseres Kernmediums, sondern vor allem mit digitalen Zusatzprodukten, die wir um unsere Bücher stricken.

Und die große Frage am Schluss: Wie wird sich die Verlagslandschaft in den nächsten zehn Jahren verändern?
Die Verlagsbranche wird sich jedenfalls gravierend verändern. So viel ist sicher. Auch dass es gedruckte Bücher immer geben wird. Aber es werden neue digitale Produkte und Geschäftsmodelle entstehen. Es bleibt spannend! Eines gilt jedenfalls für Verlage und Handel: gewinnen werden diejenigen, die ihre Kunden und deren Bedürfnisse kennen.

Aus dem Fachbuchjournal 4 / 2017

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