Café Brandstätter #1: MutmacherInnen im Gespräch

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Die Welt befindet sich weiter in einem Ausnahmezustand. Wir wollen in diesen Tagen deshalb gemeinsam nach vorne blicken. Bei unserem neuen Live Talk Format “Café Brandstätter” sprechen MutmacherInnen über ihre persönlichen Erkenntnisse in diesen Tagen und wie es „nach“ Corona weitergehen könnte.

Mit Adele Neuhauser, Ingrid Brodnig, Corinna Milborn, Matthias Strolz und Tarek Leitner

Vielerorts wird bereits eine kleine Bilanz gezogen. Wie ist das so, das Leben mit Homeschooling, sozialem Abstandnehmen, Grenzschließungen und Ausgangssperren? „Diese Situation ist ein Voraugenführen, was Freiheit ist und wieviel sie bedeutet,“ sagt ORF-Anchorman  Tarek Leitner. „Es hat noch nie einen so massiven, in kurzer Zeit erfolgten Eingriff in unsere Freiheitsrechte gegeben seit 1945. Es sind Erfahrungen, die wir jetzt am eigenen Körper spüren. Daher hoffe ich, dass daraus Erkenntnisse resultieren, dass die Aufrechterhaltung der Freiheit wichtig ist.“ Leitner nutzt diese Tage für sich um zu reflektieren: „Hat vielleicht auch das Alleinsein einen Wert? Brauchen wir diese kontinuierliche Bespielung? Jetzt könnn wir mit uns sein, uns nicht zerstreuen, sondern sammeln.“ Schauspielerin Adele Neuhauser sieht ebenso Positives im Freiheitsentzug. „Unsere Freiheit ist eingeschränkt, aber wir sind noch immer frei, zu denken und zu fühlen. Das kann uns niemand nehmen. Wir können uns jetzt an die guten Dinge erinnern: Wir lieben es, zu arbeiten, wir lieben es, draußen an der Luft zu sein, wir lieben andere zu umarmen.“

Eine Welt “nach” Corona?

Die Gefahr, dass wenn langsam wieder die Normalität des täglichen Lebens zurückkehrt, alle weitermachen wie bisher, bestehe laut Tarek Leitner. Er regt an, jetzt die richtigen Schlüsse zu ziehen. „Wir müssen jetzt kreativ sein, um dann nicht einfach so zu tun, als wäre nichts gewesen. Von allein ändert sich nichts. Und wir sehen jetzt, welche Fähigkeit wir als Gesellschaft haben, uns zu verändern.“

Die Erkenntnisse, die diese Krise mit sich bringt, sich auch Ingrid Brodnig als Chance. „Dieses Wir-Gefühl wird vielen in Erinnerung bleiben,“ glaubt sie. Als Digitalexpertin sieht sie, dass neben vielen Falschmeldungen und Gerüchten im Netz auch viel Gutes passiert, etwa die #nachbarschaftschallenge. „Ich bin mir zwar nicht sicher, ob wir danach eine andere Gesellschaft werden, denn Menschen vergessen ziemlich schnell. Aber ein paar Details merken wir uns.“ Dem stimmt auch Adele Neuhauser zu: „Wir werden die Chance haben, verändert in eine neue Welt hineinzugehen.“

„Alle müssen anpacken“

Auch Autor und Coach Matthias Strolz ist optimistisch. „Eine Utopie wäre, mit einer anderen Qualität des Miteinanders aus der Krise rauszukommen. Dass wir die stürzenden Aktienkurse in der Gesamtbilanz mit Mitmenschlichkeit wettmachen.“ Er appelliert an Politik und Gesellschaft. „Der wirtschaftliche Einschnitt wird brutal sein. Wir können danach nicht so weitermachen wie bisher, das wird auch budgetpolitisch nicht möglich sein.  Wir müssen also die Frage stellen: Wie wollen wir miteinander leben? Die Demokratie lebt nicht nur davon, dass die Politiker Politik machen. Da müssen wir schon alle anpacken. Das wird ein großer gesellschaftlicher Verhandlungsprozess unter dem Druck der Ressourcenknappheit werden. Ich hoffe, dass wir mit einer neuen Qualität des Miteinanders rauskommen, und dass sich ein sozialökologisches marktwirtschaftliches Modell durchsetzen wird.“

Was Corona mit dem Klima zu tun hat

Journalistin Corinna Milborn sieht sich in der aktuellen Lage an die Klimakrise erinnert. „Hier erleben wir es im Kleinen, wie wir es schaffen, mit Krisen umzugehen, weil diese zeitlich so sehr gedrängt ist. Daraus können wir sehr viel lernen.  Zum Beispiel: Man muss sich gemeinsam Regeln setzen. Es reicht nicht zu sagen, die Konsumenten, die Einzelnen regeln das. Es wird bei der Klimakrise auch nicht reichen zu sagen, jeder soll selbst auf sein Auto verzichten. Wir brauchen gemeinsame Regeln. Und wir sehen jetzt angesichts Corona, wir schaffen das auch demokratisch.“ Sie selbst sei in den ersten Tagen besorgt gewesen. Erst hätte sie gedacht, es sei in Europa gar nicht möglich, die entsprechenden Maßnahmen durchzusetzen, wie man sie im repressiven China zuerst umgesetzt habe. „Ich hatte die Sorge, dass wir es nicht schaffen, dieses Virus einzudämmen, oder dass wir unsere Demokratie aufgeben. Aber wir sind als Gesellschaft in so einer Krise imstande zu beschließen, was notwendig ist. Wir bleiben alle zuhause, ohne dass wir das Parlament oder den Journalismus über den Haufen werden. Eigentlich bin ich recht positiv, dass wir ziemlich große Herausforderungen schaffen können.“  Die Krise zeige deutlich, dass Österreich ein funktionierendes Gesundheitssystem habe und einen starken Sozialstaat, der sogar ziemlich schnell in einer Krise agieren könne, so Ingrid Brodnig. „Über Jahrzehnte hat man sich gefragt, ob man das braucht. Jetzt wird deutlich, dass diese staatlichen Schutzmechanismen gerade dann sinnvoll sind, wenn es eng wird.“

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Im Gespräch erwähnte Initiativen:

Ingrid Brodnig hat die Email-Adresse coronavirus@brodnig.org eingerichtet. Ihr kann man auf diesem Weg good News oder auch Fake News und falsche Gerüchte schicken, die sie einordnet, kommentiert, verbreitet oder eben stoppt.

Matthias Strolz hat den Begriff des #CorCooning ins Leben gerufen und eine Plattform für eine neues Miteinander gegründet, um CorCooning-Geschichten und CorCooning-Inspiration zu versammeln. Ganz nach dem Motto: Geschichten erzählen macht froh und verbindet uns Menschen.

Corinna Milborn arbeitet mit Puls4 und dem 4GAMECHANGERS Festival an einer Plattform für Künstlerinnen und Künstler, um bezahlte Auftritte über Internet zu veranstalten. Auf der bezahlten Plattform soll man Eintrittskarten für exklusive Lesungen und Vorführungen im Netz kaufen können. Nebenbei veranstaltet Corinna Milborn „Flohmärkte“, versteigert besondere Dinge mit Geschichte, und unterstützt mit dem Erlös Menschen, denen jetzt das Einkommen weggebrochen ist.

Im Gespräch erwähnte Buch-Tipps. Denn wann lesen, wenn nicht jetzt?

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